Kino aus Israel, unverwechselbar
Deutsch-israelische Kino- und Filmkooperationen – eine Erfolgsgeschichte.
Israels Kinowunder hat sich allmählich herumgesprochen, mit seinen vielen herausragenden Filmen, mit Zuschauerrekorden im eigenen Land und mit vielen Preisen auf internationalen Festivals. Was sich weniger herumgesprochen hat, ist die starke deutsche Beteiligung an diesem Erfolg. So war der für den Oscar nominierte Film „Ajami“ (2009) eine deutsche Koproduktion, ebenso Arbeiten von wichtigen Regisseuren wie Samuel Maoz, dessen „Lebanon“ 2009 in Venedig den Goldenen Löwen gewann, oder von Keren Yedaya, deren Film „Jaffa“ 2009 in Cannes lief. „Jaffa“ wurde von der in Berlin und Leipzig ansässigen Firma Rohfilm koproduziert, die langjährige Erfahrung in der Arbeit mit israelischen Kollegen hat. Rohfilm-Produzent Benny Drechsel gerät geradezu ins Schwärmen, wenn man ihn nach den israelischen Kooperationen fragt. „Es gibt in diesem kleinen Land von der Größe Hessens so viele herausragende Talente, so viele professionelle Spezialisten auf allen Gebieten, großartige Crews, die manchmal schon auf Erfahrungen aus internationalen Produktionen in den 1960er-Jahren bauen können.“ Für Benny Drechsel hat die Zusammenarbeit mit Israel, die er immer als unkompliziert und reibungslos erlebt hat, aber auch inhaltlich einen großen Reiz: „Das Land mit seinem großen kulturellen Reichtum ist wie ein Dampfdruckkessel, der ständig spannende und bewegende Geschichten hervorbringt. Diese Geschichten gehen uns sehr direkt etwas an, auch wegen unserer besonderen Beziehung zu Israel.“ Man würde, meint Drechsel, in diesem Land sofort in besondere Schwingungen versetzt.
Mit der experimentierfreudigen israelischen Schauspielerin und Regisseurin Hagar Ben Asher arbeitet Rohfilm bereits zum zweiten Mal zusammen. Nach deren hochgelobtem Film „The Slut“ (2011) wurde Anfang 2015 „The Burglar“ abgedreht, in dem auch der deutsche Schauspielstar Ronald Zehrfeld in einer wichtigen Rolle zu sehen sein wird.
Die Koproduktionen sind eine wichtige Facette des israelischen Filmschaffens. Aber sie sind nicht die einzige. Es hat sich auch so etwas wie eine Verlagerung großer Teile der israelischen Filmszene nach Deutschland vollzogen. Der Dokumentarfilm-Regisseur Nadav Schirman, dessen unter anderem in München gedrehter, politisch hochbrisanter Film „The Green Prince“ über die Methoden der Terrorbekämpfung in Israel vom FilmFernsehFonds Bayern gefördert wurde, lebt heute in Frankfurt am Main und ist Eigentümer der Produktionsfirma A-List-Films. Und Berlin, wohin es ohnehin gerade viele junge Israelis zieht, ist neben Tel Aviv vielleicht jetzt schon das zweite Zentrum der israelischen Filmkunst.
Den Anfang machte sehr früh der Regisseur Dror Zahavi, Schöpfer großer zeitgeschichtlicher deutscher Filme wie „Die Luftbrücke“ und „München 72 – das Attentat“. Sein Weg führte von Israel zunächst in die DDR. Damit erfüllte er den Wunsch seines Vaters, eines israelischen Kommunisten. Im Jahr 1982 trat Zahavi sein Studium an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg an, 1987 schloss er es ab und kehrte nach Israel zurück. Wie ein Kibbuz sei ihm die DDR erschienen, erinnert er sich, man habe ihn, den Exoten, offen und herzlich aufgenommen. 1991 zog es ihn ins inzwischen vereinigte Deutschland zurück, aus Gründen, die sich nicht sehr von denen der heutigen israelischen Film-Migranten unterscheiden. Auch wenn die israelische Filmlandschaft künstlerisch längst aufgeblüht ist, ist die Industrie dort nur klein und bietet längst nicht allen genug Arbeit. Berlin ist nicht nur für Filmemacher aus Israel ein guter Ort geworden, eine Stadt mit noch erschwinglichen Lebenskosten und einer internationalen, kreativen Szene. Das verzweigte deutsche Filmfördersystem eröffnet manche Möglichkeiten für Projekte.
Auch wenn diese Wanderbewegung natürlich ein erfreulicher Ausdruck eines neuen, unverkrampften Verhältnisses junger Israelis zu Deutschland ist, bleibt doch die Vergangenheit ein wichtiger, oft auch biografischer Bezugspunkt. „Die dritte Generation Israels entdeckt das einstige Feindesland Deutschland ganz neu für sich. Sie macht sich selbst ein Bild vom Land der Täter“, meint Daniel Saltzwedel vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Das Filmförderungsunternehmen finanziert seit sieben Jahren ein eigenes Artist-in-Residence-Stipendium, mit dem Filmemacher aus Israel und Deutschland jeweils drei Monate im anderen Land leben und arbeiten, Produzenten und Redakteure und die komplizierten Filmförderungs-Systeme kennenlernen können. Derzeit ist es der israelische Regisseur Roi Werner, der in Berlin einen neuen Stoff entwickelt.
Ganz nach Berlin übergesiedelt ist die israelische Regisseurin Yael Reuveny. Hier konnte sie in jahrelanger Arbeit ihren großartigen Dokumentarfilm „Schnee von gestern“ über ihre Familiengeschichte drehen, über die Spuren, die der Holocaust noch in der Enkelgeneration der Täter und der Opfer hinterlassen hat – ein wichtiger und bewegender Film der dritten Generation.
Wie Reuveny ist auch die israelische Studentin der Filmuniversität Babelsberg Esti Amrami in Berlin heimisch geworden und hat sogar eine deutsch-israelische Familie gegründet. Ihr autobiografisch gefärbtes Spielfilmdebüt „Anderswo“ umkreist das Gefühl, zwischen den Welten zu leben – ein witziges Spiel mit den durchaus noch bestehenden deutsch-israelischen Irritationen. Eigenwillige und talentierte Regisseure und Regisseurinnen wie sie sind eine echte Bereicherung für die deutsche Filmszene, sie bringen ihre Themen und Stimmen ein, ohne ihre Wurzeln, ihre Herkunft zu vergessen. Das macht sie so unverwechselbar.
Die zahlreichen Kooperationen und die vielen Filmemacher aus Israel, die nach Deutschland kommen, können aber über ein Defizit nicht hinwegtäuschen: Während israelische Filme auf Festivals, auch in Deutschland, wegen ihrer künstlerischen Originalität, ihrer wunderbaren Schauspieler, ihrer oft sehr kritischen, ungeschönten Sicht auf das eigene Land wichtige Preise und Kritikerlob einheimsen, floppen sie oft an deutschen Kinokassen. „Das muss sich endlich ändern“, hofft auch Benny Drechsel. „Wir brauchen in Deutschland endlich eine offenere Kinokultur, mehr Aufmerksamkeit für diese spannenden und bewegenden Filme, die etwa in Frankreich viel mehr Zuschauer finden als bei uns.“