Achava-Festspiele in Thüringen
Kultur und Brüderlichkeit: Die neuen Festspiele wollen hohe künstlerische Qualität und interreligiöse Toleranz fördern.
Thüringens Landeshauptstadt Erfurt ist Schauplatz der Achava-Festspiele, die 2015 erstmals stattfinden. Zu den Unterstützern gehören das Auswärtige Amt und die Botschaft des Staates Israel in Berlin. Ein Gespräch mit dem Initiator und Intendanten Martin Kranz.
Herr Kranz, was sind die Achava-Festspiele?
Achava ist hebräisch und bedeutet Brüderlichkeit. Bei uns geht es um den Dialog zwischen den Religionen. Wir wollen das einerseits mit Kunst, Musik und Theater machen, anderseits aber auch einen kritischen Diskurs führen, über die Themen, die uns heute bewegen. Die Festspiele sind also künstlerisch kreativ und politisch diskursiv.
Was wollen Sie damit erreichen?
Das Entscheidende ist, dass wir auch die Menschen erreichen, die sich in ihrer Meinung bisher von Vorurteilen haben leiten lassen. Ich wünsche mir, dass sich die Besucher des Festivals Gedanken machen über andere Kulturen, Geschichten und Lebensumstände. Wir präsentieren eine Diskussionsreihe, die sich „Unter dem Feigenbaum“ nennt. Da sind die großen Krisen- und Kriegsgebiete Thema. Syrien, der Iran, Afrika, die Ukraine, aber auch Israel. Wir wollen, dass die Menschen sich auf die Gespräche einlassen und auf eine Gedankenreise begeben.
Was steht noch auf dem Programm? Welches sind die Highlights?
Wir haben großartige Konzerte mit international bekannten Musikern und für die Podiumsdiskussionen Referenten, die auf ihrem Feld einzigartige Expertise haben. Das besondere klassische Kultur-Highlight ist sicher das Eröffnungskonzert. Wir spielen jüdische Synagogalmusik mit dem RIAS Kammerchor – weltweit bekannt für diese Art von Musik. Und wir haben die besten Kantoren der Welt dabei: aus Israel, den USA und Schweden. Das Konzert findet im Erfurter Dom St. Marien statt.
In diesem Jahr feiern die deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen ihr 50-jähriges Bestehen. Gehen die Festspiele darauf ein?
Zwei Auftritte beschäftigen sich besonders damit: Idan Raichel und sein Projekt aus Israel, das sich mit dem Thema Deutschland auseinandersetzt. Und Avishai Cohen, der große Bassist, hat gesagt: „In so einem Jahr möchte ich unbedingt kommen und Euer Abschlusskonzert spielen!“
Warum eigentlich in Thüringen?
Zum einen bin ich Thüringer, zum anderen kann Erfurt eine große jüdische Tradition vorweisen. Hier steht die älteste Synagoge Europas. Dann müssen wir auch ein Zeichen setzen. Der NSU-Skandal, Pegida – es gibt Probleme in Thüringen und wir müssen auch da sein, wo es nicht immer einfach ist.
Interessieren sich die Thüringer denn dafür?
Ja, das Festival ist innerhalb kürzester Zeit entstanden, wir hatten gerade mal zweieinhalb Monate Zeit. Und es ist uns gelungen, in dieser Zeit Partner zu finden, die das Festival finanzieren, so wie das Auswärtige Amt, Stiftungen, Unternehmen – die meisten aus Thüringen. Wir erfahren hier und auch über Thüringen hinaus viel Zustimmung und Interesse.
Und die jüdische Gemeinde?
Es ist eine relativ kleine jüdische Gemeinde mit rund 500 Mitgliedern und wenig jungen Leuten. Sie sind daran interessiert, dass man jüngere Menschen im Land für das Judentum begeistert. Darum freuen sie sich auf die Festspiele. Ich glaube, die Achava-Festspiele sind eine Chance, das Thema Judentum in Thüringen wieder aus einer Nische herauszuholen und zu zeigen, dass es ein normaler Bestandteil heutigen Lebens ist, jüdisch zu sein.
Wen erwarten Sie außerdem als Besucher der Festspiele?
Ich hoffe, dass es ein breites Bild der Gesellschaft ist. Es werden viele Menschen aus Berlin kommen, da ich ja auch durch meine Arbeit eine ganze Reihe kenne. Es ist aber das Ziel, national und international Publikum zu gewinnen. Vom Programm her haben wir die Chance. Unsere Künstler sind von Weltrang.
Elf Jahre lang waren Sie Intendant der Jüdischen Kulturtage in Berlin. Die fallen in diesem Jahr aus, Sind die Achava-Festspiele nun das Gleiche wie die Jüdischen Kulturtage, nur in Thüringen statt in Berlin?
Was anders ist: Wir wollen alle Religionen einladen. Die Jüdischen Kulturtage waren ein ausschließlich jüdisches Festival. Die Achava-Festspiele erweitern das Angebot und stellen so den interreligiösen Dialog in den Vordergrund. Was jedoch gleich ist, ist die Qualität der Künstler.
Welche Zukunft wünschen Sie sich für die neuen Festspiele?
Die Idee geht über ein normales Kultur-Festival hinaus. Wir wollen viele Institutionen für ein gemeinsames Projekt langfristig begeistern. Das habe ich in Berlin geschafft. Und jetzt möchte ich das auch in Thüringen realisieren. Ich hoffe, dass wir viele Religionen vorstellen können und gemeinsam eine Reise durch alle Religionsgemeinschaften machen. Wir leben derzeit in einer Welt, die geprägt ist durch Religionskonflikte. Ich möchte, dass Achava helfen kann, Missverständnisse aufzuklären, Gemeinsamkeiten zu entdecken und Toleranz zu fördern. Nicht nur in diesem Jahr, sondern langfristig.
Achava-Festspiele in Erfurt vom 27. August bis 6. September 2015