Netzwerke für Technologen
Erfolgreich, mit Mut zum Scheitern: Israel ist ein Hightech-Land, von dem Deutschland viel lernen kann und will. Das zeigt die zunehmende Zahl an Vernetzungen.
Mit dem USB-Stick und dem Instant-Messaging-Dienst ICQ schafften israelische IT-Erfindungen schon in den 1990er-Jahren den Durchbruch auf den Weltmarkt. Heute weist Israel weltweit die höchste Konzentration an Hightech-Startups pro Kopf auf. Rund 1000 Unternehmen werden hier laut dem britischen Magazin „The Economist“ jedes Jahr neu gegründet. Dass sich junge Deutsche ein Stück von der israelischen Gründermentalität abschneiden – das wünscht sich Gregor Schlosser. Er managt im Auftrag der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer die Plattform Betatec. „Beta steht zwar für Berlin-Tel Aviv, weil das die heißesten Zentren sind“, sagt er, „gemeint ist aber ganz Deutschland und ganz Israel“. Die beiden IT-Szenen miteinander zu vernetzen, ist Hauptziel der Betatec. Unterstützt wird die Initiative ehrenamtlich von den Israelis Mickey Steiner vom RWE Israel Innovation Center und Eran Vanounou vom IT-Unternehmen LivePerson sowie dem Deutschen Wolfgang Hisserich von der Deutschen Telekom.
Deutsche Zögerlichkeit, sich mit einer Idee selbständig zu machen, liege auch daran, so vermutet Schlosser, dass man „von einem Scheitern in Deutschland ein Leben lang gezeichnet ist“. In Israel hingegen gehöre der Misserfolg mit zum Geschäft. Hier gelte, dass man mit jedem Scheitern nur klüger wird. Manch legendärer Gründer sah gar keine andere Wahl. „Wir hatten alle keinen Job. Was sollten wir tun?“ – das Zitat wird Jair Goldfinger zugeschrieben, der vor rund 20 Jahren die Firma Mirabilis gründete. Kurz nach der Gründung machten er und seine drei Mitgründer, alle Mitte 20, ein Vermögen, als sie ICQ, den ersten internetweiten Instant-Messaging-Dienst, für mehr als 400 Millionen Dollar an AOL verkauften. Danach brach in Israel ein Goldfieber in Sachen Informationstechnologie aus. Tausende junge Leute wollten es den vier erfolgreichen Unternehmern nachmachen, lernten das Programmieren und träumten von der nächsten großen Innovation.
Deutschen Gründern seien „die israelischen Hightech-Unternehmer heute in vielen Bereichen weit voraus“, sagt Schlosser. Deshalb will die 2014 gegründete Betatec einen intensiveren Austausch unter den jungen Unternehmern in beiden Ländern ermöglichen. „Wir organisieren Pitch Events, bei denen sich junge israelische Firmen deutschen Unternehmen vorstellen“, erklärt Schlosser. Außerdem organisiert das Betatec-Team für deutsche Unternehmer-Delegationen Informationsreisen nach Israel.
Das jüngste Betatec-Projekt heißt „Der neue Kibbutz“. Ab August 2015 können deutsche Studierende ein Praktikum bei Start-ups oder auch größeren Unternehmen in Israel machen, finanziell unterstützt vom israelischen Generalkonsulat in München und von der bayerischen Landesregierung. „Die Idee war, eine moderne Alternative zu dem in der Vergangenheit sehr beliebten Freiwilligendienst in einer Landwirtschaftskommune zu schaffen“, erklärt Schlosser.
Zu den deutschen Unternehmen, die schon früh das Potenzial des israelischen IT-Sektors erkannten, gehört die Deutsche Telekom. „Das Unternehmen kam 2004 mit der Bitte um Projektvorschläge auf uns zu“, erinnert sich die Professorin Bracha Shapira, Leiterin des Department of Information Systems Engineering an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva. Die Israelis ließen nicht lange auf sich warten. Für „mehr Sicherheit im Netz“ wollten sie sorgen, sagt Shapira, auch wenn Cybersicherheit und Lösungen gegen Virenangriffe damals noch kein großes Thema gewesen seien. Erst mit dem Einkauf über das Internet vermehrten sich die virtuellen Schädlinge. Die Telekom gab trotzdem sofort grünes Licht für das erste, zunächst auf drei Jahre angelegte Projekt, dem viele folgen sollten.
Fünf Autominuten vom Campus der Universität entfernt sind die Telekom Innovation Laboratories heute in dem neuen Technologiepark Advanced Technologies Park von Beer Sheva zu Hause. Im Flur demonstriert ein Simulator die Jagd auf die Viren, die Studentinnen und Studenten sitzen hinter gläsernen Wänden an ihren Computern. Ein Konferenzraum ist mit bequemen weißen Sesseln möbliert und mit Bildschirmen für Videoschaltungen ausgestattet. Sogar einen Kraftraum und Duschen gibt es. „Das ist das neue Gesicht der Universitäten“, sagt die Informatikerin Shapira. Forschung und Industrie gingen hier Hand in Hand. Der Wissenschaftlerin gefällt die anwendungsorientierte Forschungsarbeit mit dem Unternehmen: „Wir haben es mit konkreten Problemen zu tun.“
Rund 100 Israelis – Dozenten, wissenschaftliches Personal und Studierende – sind an den Projekten der Deutschen Telekom beteiligt, in die seit Beginn der Kooperation „zig Millionen Euro“ geflossen sind, wie Netta Cohen berichtet, der für die Vermarktung der Forschungsergebnisse an der Universität verantwortlich ist. Die deutsch-israelischen Projektgruppen kommunizieren wöchentlich per Videokonferenz, daneben natürlich auch per E-Mail und telefonisch.
David Ben-Shimon ist PhD-Student an der Ben-Gurion Universität und gleichzeitig Mitgründer des israelischen Forschungsunternehmens Yoochoose Labs. Dazu kam es letztlich „durch ein Projekt der Telekom Laboratories“, berichtet der Informatiker. Denn schon während seines Studiums war Ben-Shimon gemeinsam mit zwei Kommilitonen an der Entwicklung eines Patents beteiligt, das die Telekom anschließend an die Gründer des deutschen Unternehmens Yoochoose verkaufte. „Und die haben uns gesucht.“ Von da war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Gründung der israelischen Tochtergesellschaft.