Militärische Verbundenheit
Der Besuch der deutschen Verteidigungsministerin in Israel ist Ausdruck einer engen militärischen Zusammenarbeit der beiden Länder.
Es war ein herzlicher Empfang: Als die deutsche Fregatte „Karlsruhe“ am Morgen des 7. Mai 2015 in den Hafen von Haifa einlief, wurde sie von israelischen Schnellbooten geleitet und mit Wasserfontänen begrüßt. Eine Woche verbrachten die rund 200 Marinesoldaten anschließend in Israel. Auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen reiste nach Israel. Unter anderem traf sie am 11. Mai ihren israelischen Amtskollegen Moshe Yaalon und am 12. Mai Premierminister Benjamin Netanjahu.
Das alles wirkt selbstverständlich und ist es doch nicht – angesichts der Tatsache, dass deutsche Waffen während der Shoah für Millionen Juden den Tod bedeutet hatten. Doch trotz, oder gerade wegen, der leidvollen Vergangenheit, sind die Verbindungen zwischen den beiden Streitkräften heute besonders intensiv und lebendig. Dialog und Partnerschaft finden auf allen Ebenen statt, zwischen den Verteidigungsministerien, den Führungen der Streitkräfte und Teilstreitkräfte. Die Zusammenarbeit umfasst Austauschprogramme und Lehrgänge; gemeinsame Übungen werden in Deutschland ebenso wie in Israel abgehalten.
Ausgebildet worden sind die jungen Rekruten der Streitkräfte beider Staaten, in der Bundeswehr wie in den Israel Defense Forces (IDF), lange Zeit an derselben Waffe: der israelischen Uzi. Sie stand mit am Anfang, als es schon bald nach 1945 darum ging, den schweren Weg der Annäherung und Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel zu ebnen.
Umgeben von arabischen Feinden, fehlte es dem jungen jüdischen Staat an allem. Um zu überleben, musste er vor allem pragmatisch handeln. Und so waren Ministerpräsident David Ben Gurion und Shimon Peres, damals Generaldirektor im Verteidigungsministerium, sogar bereit, mit den Deutschen aus der Bundesrepublik ins Gespräch zu kommen. Dazu ließ Peres 1956 Verteidigungsminister Franz Josef Strauß eine verwegene Fracht zukommen: eine Uzi-Maschinenpistole, verbunden mit der Bitte, ihre Einführung in die im Aufbau befindliche Bundeswehr zu prüfen. Sollten die Deutschen ordern, so die Überlegung, bestand die gute Chance, die Uzi als Nato-Standardwaffe etablieren und damit Israels Rüstungsproduktion deutlich erhöhen zu können.
Strauß zögerte nicht lange. Per Ministererlass verfügte er den Ankauf der Waffe. Und er ließ die Israelis nicht warten, die sich zeitgleich um moderne Ausrüstung für die IDF bemühten. Jedem war klar: Ein verlorener Krieg wäre Israels letzter Waffengang. Streng geheim schickte Strauß das Wehrmaterial, welches Peres erbeten hatte: Transportflugzeuge, Hubschrauber, Artillerie, Panzer. Damit nahm die deutsch-israelische Rüstungskooperation ihren Anfang.
Das schaffte Vertrauen. Deutschland erwies sich als verlässlicher Partner, wenngleich nicht ohne Eigennutz: Im Kalten Krieg stellte Israel die Auswertung sowjetischer Beutewaffen zur Verfügung, heute profitiert die Bundeswehr von den IDF-Einsatzerfahrungen im Kampf gegen den Terror.
In der israelischen Öffentlichkeit hingegen blieben die Rüstungsgeschäfte mit dem Land der Täter lange umstritten. Für viele war das Bild von jüdischen Pistolen in den Händen deutscher Uniformierter unerträglich. Auch aus diesem Grund wurde Geheimhaltung gewahrt. Das galt auch mit Blick auf die Kontakte zwischen Bundeswehr und IDF. Obwohl deren Zusammenarbeit offiziell erst 1984 aufgenommen wurde, kamen die ersten israelischen Offiziere und Unteroffiziere bereits Anfang der 1960er-Jahre zur Ausbildung nach Deutschland – in die Rendsburger Flugabwehr-Waffenschule zum Beispiel. Sie verbrachten sechs Monate in einer Kaserne, deren Gebäude während der Nazi-Zeit errichtet worden waren.
Emotionen ausblenden mussten viele Jahre später auch jene israelischen Soldaten, die während des Zweiten Golfkrieges Anfang 1991 in der Jägerkaserne im bayerischen Sonthofen eingetroffen waren. Angeleitet von einem deutschen Unteroffizier, trainierten die jüdischen Soldaten drei Wochen am ABC-Spürpanzer „Fuchs“. Acht dieser Tanks hatte die Bundesregierung Israel eilends zur Verfügung gestellt. Deutsche Rüstungsfirmen hatten dem Irak geholfen, die Reichweite der Scud-Raketen zu erhöhen, die Tel Aviv und Haifa terrorisierten. Und sie waren an der Produktion von Giftgas beteiligt gewesen, mit dem der Irak Israel bedrohte.
So außergewöhnlich die Situationen auch waren, sie zeigen, wie israelische und deutsche Soldaten von-, mit- und übereinander lernten und lernen. Das gegenseitige Vertrauen ist inzwischen so weit gewachsen, dass deutsche Soldaten auf israelischem Boden ausgebildet werden, erstmals sogar an einem israelischen Waffensystem, der Aufklärungsdrohne Heron 1, welche die Bundeswehr seit Ende 2009 von Israel für den Afghanistan-Einsatz least.
Und so ist es auch israelische militärische Expertise, die hilft, das Leben deutscher Soldaten beim Auslandseinsatz zu schützen, während Deutschland den jüdischen Staat darin unterstützt, sein militärisches Überleben aus eigener Kraft zu garantieren – 70 Jahre nach Auschwitz, 60 Jahre nach Gründung der Bundeswehr und 50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen.